Aikido für den Mediator

Entspannt bleiben unter Stress

Im Kapitel über Mediation ist die Rolle des Mediators dargestellt worden. Es ist essentiell, dass der Mediator die Ruhe bewahrt und sich nicht in einen Streit mit hineinziehen lässt, also auch auf keine an ihn gerichteten Provokationen mit Eskalation reagiert. Hier lassen sich einfache Techniken aus dem Aikido einsetzen.

Wenn der Mediator im Vorfeld gelernt hat, über die Steuerung seiner Körperwahrnehmung seine Aufmerksamkeit in seine eigene Mitte zu lenken, dann hilft das in stressigen Momenten, die eigene innere Balance zu halten und wieder herzustellen. Aus der Sicht des Aikido sind die Begriffe „zentriert“ und „entspannt“ eng miteinander verknüpft. Sehr hilfreich ist dazu die Kenntnis von Atemtechniken. Diese können beispielsweise das Fokussieren von Aufmerksamkeit unterstützen und verspannte Stellen im Körper lösen, sodass der Mediator wieder in entspanntem Zustand agieren kann.

Physisches Erleben von Konfliktlösungs-Optionen

Aikido bietet die Möglichkeit, bestimmte Dinge in einem sicheren und kontrollierten Umfeld körperlich zu erleben. Dazu gehört es, einem Angriff ausgesetzt zu sein, dessen Intensität und Richtung zu spüren und auf physischer Ebene wahrzunehmen, welche Reaktions-Möglichkeiten es dazu gibt: Druck führt typischerweise zu Gegendruck; geradliniges Zurückweichen häufig dazu, dass man noch stärker in Bedrängnis gerät.

Die Aikido-Ansätze Irimi und Tenkan erweitern das Spektrum der Reaktions-Möglichkeiten. Im ersten Fall kann man erleben, dass man mit einer Vorwärts-Ausweichbewegung einigermaßen sicher im Zentrum der Gesamtaktivität landen kann. Im zweiten Fall geht es darum, die Angriffslinie zu verlassen und durch eine Drehbewegung die Perspektive des Angreifers einzunehmen. Von dort ist es wiederum möglich, die Führung der Gesamtsituation zu übernehmen.

Es geht dabei auch darum, auf körperlicher Ebene zu erfahren, dass nicht-konfrontative Vorgehensweisen den Lösungsraum stark erweitern. Das physische Erleben hilft dem Mediator, die Mediation zu verstehen, weil es einen neuen Zugang eröffnet, nämlich über die Körperwahrnehmung.

Die Wichtigkeit von Aufmerksamkeit erleben

Im Aikido wird immer wieder geübt, an welche Stelle man seine Aufmerksamkeit platzieren soll. Der Übende erlebt, dass er sich aus einem Haltegriff nicht befreien kann, wenn seine Aufmerksamkeit auf der festgehaltenen Stelle liegt. Das Problem (hier: festgehalten sein) lässt sich nicht vom Problem ausgehend lösen, es muss von einer anderen Stelle oder einer anderen Ebene aus gelöst werden. Richtet der Übende seine Aufmerksamkeit weg vom Problem, kommt er der Lösung (hier: sich bewegen können) viel näher.

Der Übertrag in die Mediation ist vielfältig. Die zukunftsorientierte Lösungssuche, weg vom Problem, ist mit dieser Situation eng verwandt. Der Angreifer verkörpert die Verhaftung in Problem und Vergangenheit, die Verschiebung der Aufmerksamkeit weg davon zeigt dem Verteidiger, wie sich die Konfrontation der Lage reduziert und der Lösungsraum größer wird.

Der Wechsel der Ebenen ist auch in der Mediation sehr hilfreich. Das Einstein-Zitat, dass ein Problem nicht auf der gleichen Ebene gelöst werden kann, wie es entstanden ist, hat im Aikido sein „Erlebnis-Äquivalent“.

Entwicklung einer passenden Haltung

Die Verwandtschaft der Haltung bei Mediator (Mediation) und Aikidoka wird an anderer Stelle ausgeführt. Damit kann das zugehörige Argument an dieser Stelle kurz gehalten werden: Das Studium des Aikido hilft dem Mediator, seine mediative Haltung auszubauen und zu fördern.

Sollte der Mediator nicht mit dem Studium des Aikido an sich beginnen wollen, dann finden sich auch alternative Zugangskonzepte. Gerade zur Entwicklung von Präsenz gibt es Ansätze in der Management-Literatur, Aikido-Ideen auch ohne Aikido-Training zu übertragen.

Persönlichkeitsentwicklung

Da Grundlagen, Ziele und Methoden große Parallelitäten aufweisen, liegt es auf der Hand, die Analogien im Zusammenhang mit der persönlichen Entwicklung zu nutzen. In Fortschreibung des letzten Abschnitts wird die Weiterentwicklung der „richtigen“ Haltung mit der derjenigen des „richtigen“ Ethos ergänzt.

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